Freitag, 13. Dezember 2013

Serienreview: American Horror Story - Staffel 1

 
[ Quelle: fernsehserien.de ]


Warum sehen wir uns eigentlich Horrorfilme an? Warum können wir nicht wegschauen, selbst wenn noch so brutale Akte auf dem Bildschirm gezeigt werden, oder weghören, wenn jemand eine gruselige Geschichte erzählt? In einem Interview mit The Hollywood Reporter erklärte Serienmacher Ryan Murphy diese Faszination für das Schreckliche folgendermaßen: "Es ist eine Möglichkeit, um eigene Ängste in Zeiten der Angst zu überwinden." Und genau diese Ängste macht sich American Horror Story zu Nutze. Das Projekt von Murphy und Brad Falchuk (die u.a. Glee ins Leben gerufen haben) schafft es in seiner ersten Staffel auf beeindruckende Weise, eine Horrorgeschichte im Serienformat zu erzählen, die dem Zuschauer nicht nur gewaltig das Gruseln lehrt, sondern auch in die tiefsten Abgründe der menschlichen Psyche blickt, vor denen man sich meist mehr fürchtet, als vor den übernatürlichen Phänomenen der verfluchten Vorstadtvilla.

Die Grundstory von American Horror Story scheint auf den ersten Blick simpel: Ben Harmon und seine Frau Vivien ziehen mit ihrer Tochter Violet in ein alte Villa in Los Angeles, um einen Neustart zu wagen, nachdem Vivien eine Fehlgeburt hatte und Ben seine Frau betrogen hat. Dieses recht klischeebeladene Ehedrama, das in seinem Seifenopercharakter einer der größten Negativaspekte der ersten Staffel ist, wird kombiniert mit der mysteriösen Geschichte des Hauses, welche dem Zuschauer Stück für Stück näher gebracht wird und sehr schnell eine enorme Faszination ausübt. Das Haus wird als Schauplatz von zahlreichen Gewalttaten und Morden zu einem eigenen Charakter der Serie und beherbergt, wie man im Laufe der Staffel erfährt, eine ganze Ansammlung an verstorbenen Seelen, die alle ein grausames Ende erfahren haben. Die Mythologie des Hauses ist damit der Dreh- und Angelpunkt der Serie und gerade deshalb reizvoll, weil die Informationsvergabe so geschickt passiert, dass man immer genug weiß, um vorübergehend zufriedengestellt zu sein, aber gleichzeitig die nächste Episode kaum erwarten kann. So gelingt der Serie an manchen Stellen die ein oder andere überraschende Enthüllung, was für den erfahrenen TV-Zuschauer überaus erfrischend ist.


Während gerade Ben und Vivien eigentlich oft eher Störfaktoren sind, deren Ignoranz bezüglich der Geschehnisse des Hauses teilweise komplett unverständlich ist, sind vor allem die übernatürlichen Bewohner bzw. die früheren Bewohner der Villa aufgrund ihrer Rätselhaftigkeit sehr interessante Gestalten. Charaktere wie Constance, Larry und Tate stellen den Zuschauer fast schon vor ein Dilemma: Einerseits sind sie für unsagbares Leid zuständig, andererseits ist auch ihnen Schreckliches widerfahren, sodass man immer ein bisschen Verständnis, ja gar Mitgefühl für sie empfindet. Dieser Zwiespalt ist dank der großartigen Darsteller – allen voran der unvergleichlichen Jessica Lange – noch umso überzeugender und macht deutlich, zu was ein Mensch eigentlich alles fähig ist, wenn er nur dazu gedrängt wird.
So macht  American Horror Story vor allem dann am meisten Spaß, wenn genau diese psychischen Abgründe ausgelotet werden und gleichzeitig das Unheimliche in all seinen Formen präsentiert wird. Nicht die Harmonsche Ehekrise, sondern vielmehr die Hintergrundstories der früheren Hausbewohner sind es, die einen faszinieren, schockieren und mitreißen, seien es die ersten Bewohner Nora und Charles, die Vorgänger der Harmons, Chad und Patrick, oder natürlich die geheimnisvolle Vergangenheit von Constance. Gleichzeitig sind Murphy und Falchuk sehr gewandt darin, altbekannte Horrortropen in die Serie einzubauen: der gespenstige Keller bzw. Dachboden, die unheimlichen Zwillinge, Dr. Frankenstein, die schwarze Dahlie, ja sogar der Antichrist kommt vor. Sie präsentieren hier einerseits eine Hommage an die amerikanische Gothic Novel, bei der ein gewisser Trash-Faktor nicht zu leugnen ist, andererseits lassen sie ihrer Faszination für tatsächlich vorgefallene Skandalmorde freien Lauf und kreieren damit ein neues Gerüst an feinstem Horror. Hier ist es nur schade, dass den beiden dabei doch eigene Logikfehler unterlaufen bzw. vor allem die Harmons nicht selten so reagieren, dass es der Story dienlich ist, anstatt dass ihr Verhalten Sinn macht.


Die Serie wartet mit wirkungsvollem Horror und einer toll konzipierten Mythologie auf, die bald ein enormes Suchtpotential entfalten, doch an einigen Stellen wäre sicherlich noch der ein oder andere Feinschliff nötig gewesen, gerade was den Dramaanteil rund um die Familie Harmon angeht. Doch dies gleichen die hervorragend inszenierten Schauerelemente und die restlichen Charaktere mit ihren verworrenen und verwegenen Beziehungen letztlich aus. Mit einem gelungenen Ende, das irgendwo zwischen bittersüßem Happy-End und fürchterlicher Vorahnung schwebt, stellt die erste Staffel von American Horror Story insgesamt ein innovatives und packendes Drama dar, das als erster Teil einer hoffentlich mehrstaffeligen Horroranthologie voll aufgeht.


Daten zur Serie:

  • Genre: Horror, Thriller, Mystery
  • Idee: Ryan Murphy, Brad Falchuk
  • Produktionsjahr: seit 2011
  • Deutsche Erstausstrahlung: 9.November 2011 auf FOX

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen